WOHNZIMMER

WOHNZIMMER

Alter Winzerkeller, Kirchberg am Wagram

Der „Alte Winzerkeller“ in Kirchberg am Wagram war schon immer ein Rückzugsort für Erholungssuchende. Seit mit dem „Wohnzimmer“ der Loungebereich für Gäste in den Garten verlagert wurde, fällt die Abreise jedoch besonders schwer.

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Mit seiner schlichten Fassade und den waldgrünen Kastenfenstern wirkt er fast unscheinbar, der „Alte Winzerkeller“ am Rande des Marktplatzes von Kirchberg am Wagram. Doch es ist nur ein Teil des mehrstöckigen, denkmalgeschützten Gebäudes, der hier von der Straße aus sichtbar ist. Folgt man dem leicht abfallenden, mit Kopfstein gepflasterten Weg an die hintere Seite des Hauses, wird dessen ganze Dimension wahrnehmbar; und mit ihm der idyllische Garten, der von meterhohen, alten Bäumen eingerahmt wird. Mitten in diesem grünen Refugium, abgeschieden in der Natur und von der Straße oberhalb nicht einsehbar, steht ein Pavillon, an dessen Fassade rechts unten in großen Lettern das Wort „Wohnzimmer“ prangt.

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Historisches Ensemble

Die Geschichte des „Alten Winzerkellers“ reicht Jahrhunderte zurück. Das ursprüngliche Gebäude bestand einst aus einem Presshaus mit zwei großen, lang gezogenen Kellergewölben. Aufzeichnungen aus 1824 belegen, dass der Keller schließlich erweitert und mit einem Schüttkasten aufgestockt wurde. 1995 nahmen sich die heutigen Eigentümer dem historischen Gebäude an und renovierten es behutsam in Eigenregie. Seit 1998 wird der „Alte Winzerkeller“ als Hotel mit Vinothek geführt, wobei die Gästezimmer im ersten Stock und Dachgeschoß des ehemaligen Schüttkastens untergebracht sind. Nördlich an das Gebäude grenzt der bereits erwähnte Garten, der Gästen seit jeher zur Erholung dient. 2017 wurde er um das „Wohnzimmer“ erweitert.

 

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Platz lassen für die Natur

Der Weg in das „Wohnzimmer“ führt über den Garten oder witterungsgeschützt über einen an den Altbestand angeschlossenen Verbindungstrakt; er beherbergt Sanitärräume und eine Küche zur Bewirtung der Hotelgäste. Die Fensterfassade des Traktes ist mit vertikal angebrachten Holzlatten verkleidet, an denen wilder Wein emporrankt. Der Blick auf den Garten wird bewusst eingeschränkt, um die Vorfreude zu steigern auf die Aussicht, die sich dem Gast wenig später vom „Wohnzimmer“ aus noch erschließen wird.
Der in Holzriegelbauweise errichtete Kubus wurde behutsam in das Grundstück integriert. Besonders deutlich zeigt sich das am Übergang vom Verbindungstrakt zum „Wohnzimmer“, wo ein Raumeinschnitt Platz schafft für die alte Eiche, die schon immer an dieser Stelle stand und deren Baumkrone gemeinsam mit anderen Bäumen eine Art natürlichen Baldachin über dem Garten – und jetzt auch über dem „Wohnzimmer“ – bildet.

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Linearität als roter Faden

Die Fassade des „Wohnzimmers“ ist an den „Alten Winzerkeller“ angepasst, und das nicht nur farblich. Die natürliche Unebenheit und Haptik des Bauhandwerks vergangener Tage wurde aufgebrochen und ins Jetzt geholt: Das gelingt mit außenliegenden Holzfaserdämmplatten, deren Oberflächen nicht glatt verputzt, sondern mit einer vertikalen Struktur versehen wurden. Die Linearität, die dadurch geschaffen wird, ist an die Holzlatten des Verbindungstraktes angelehnt. Dasselbe gilt auch für die Beschattungselemente vor den beiden stirnseitigen, 4 x 2,20 Meter hohen Glaselementen, die sich zum Garten hin öffnen lassen. Die Eingangstür aus massivem Holz ist bewusst nicht an der Front angebracht, sondern seitlich in der Glasfassade eines Atriums integriert. Dieses hat wiederum den Zweck, dass der Raum mehr Licht bekommt und auf charmante Weise geteilt wird. Flache Wasserbecken in der Mitte des Atriums sowie im Raumeinschnitt neben der alten Eiche spiegeln die Blätter der Bäume und verstärken das Gefühl, im Freien zu sitzen.

 

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Uneingeschränkte Sicht nach draußen

Neben der großzügigen Raumhöhe beeindruckt das „Wohnzimmer“ auch mit seinem wandfüllenden Holzregal an der Rückwand. Unter dem Regal befindet sich ein bodennaher, breiter Glasstreifen, der einmal mehr den Blick ins Grüne freigibt und Licht und Abendsonne in das Innere des Raumes lässt. Gleichzeitig wird der Eindruck vermittelt, als würde die Regalwand schweben. Das Interior ist geprägt von Cocktailsesseln im Stil der fünfziger Jahre, die vom Architekten gemeinsam mit dem Bauherrn entworfen und gebaut wurden. Die Möbel sind bewusst niedrig gehalten, schließlich will man dem Gast nicht die Sicht nach draußen nehmen. So fällt der Blick also weit durch die vom Architekten selbstgebauten, raumhohen Eichenholzfenster, die das Grundstück nicht nur der Länge nach, sondern in seiner gesamten Höhe wahrnehmbar werden lassen. Ausgewählte Literatur über Wein und die Region, ein gut gefüllter Weinkühlschrank und ein Tischpult, in dem Gläser untergebracht sind, laden zum längeren Verweilen ein. Sich hier zu erholen fällt nicht sonderlich schwer, aber so ist es auch gedacht in einem Raum, der sich „Wohnzimmer“ nennt.

 

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WOHNZIMMER // ALTER WINZERKELLER

Standort: Kirchberg am Wagram, Niederösterreich
Gebäudetyp: Pavillon
Bauart: Zubau
Bauzeit: 18 Monate
Fertigstellung: Sommer 2017
Nutzfläche: 120 m²
Grundstücksfläche: 1200 m²
Holzanteil: 36 m3 (etwa 36t CO2 Einsparung)
Auszeichnungen: NÖ Holzbaupreis 2018, Anerkennung

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